Pressestimmen:

Gregor Szyndler: Starthilfe für Autorinnen und Autoren. NZZ v. 24.09.2023.

Florian Gasser: Dramen in der Wunderkammer. Die Zeit v. 04.02.2021.

Michael Wurmitzer: In großen Fußstapfen. Der Standard v. 10.06.2020.

Christoph Hartner: Ich kann Fredys Schutzmantel noch immer spüren. Kronen Zeitung v. 23.07.2020.

Ute Baumhackl, Werner Krause: Bollwerk gegen Haus- und Hofpoesie. Kleine Zeitung v. 27.11.2019.

Piotr Dobrowolski: Wenn einer gut stolpert, wird er eh gedruckt. Wiener Zeitung v. 05.11.2016.

Ute Baumhackl, Julia Schafferhofer: Sie haben das Heft in der Hand. Kleine Zeitung v. 20.09.2016.

Ilma Rakusa

Jeder Weg führt zu den manuskripten

Es ist ein Begegnungsort für Literaturbesessene, eine mythische Grazer Adresse: das Büro der manuskripte im Palais Attems in der Sackstrasse 17. Die Zeitschrift gibt es seit 57 Jahren, und ihr Gründer und Herausgeber, Alfred Kolleritsch, sitzt noch immer fast jeden Vormittag hinter seinem ausladenden Schreibtisch, empfängt Besucher und telefoniert mit Schriftstellerfreunden aus aller Welt.
Der mittelgrosse Raum mit Gewölbedecke befindet sich gleich rechts vom Eingang. Zwei Stufen, keine Klingel, einfach eintreten. Und schon umfängt sie einen, die besondere Atmosphäre: Bücher- und Zeitschriftenstapel, wohin man blickt, und gegenüber von der Tür Fredy, der Spiritus rector dieser schönen Institution. Sein Platz vor dem Fenster, hinter dem Schreibtisch, ist unverrückbar. Von hier aus lenkt er mit sicherer Hand die Geschicke der Zeitschrift. Über zweihundert Hefte sind mittlerweile erschienen, und die „Familie“ der Beiträger wächst von Jahr zu Jahr. Nicht nur deutschsprachige Autoren gehören dazu, auch slowenische, polnische, weissrussische, bulgarische, ungarische, französische, englische und viele mehr. Auf Fotografien, die an die Wände gepinnt sind, sieht man vertraute und weniger vertraute Gesichter. Hier Peter Handke, Friederike Mayröcker, Paul Wühr, Gert Jonke, Jürg Laederach, dort Olga Martynova, Valžyna Mort, Elke Laznia, Helga Glantschnig, Fabjan Hafner. Jedes Gesicht erzählt Geschichten, zumindest für Fredy, der sich an jeden eingesandten und gedruckten Text erinnert. Und an Gespräche, die es gab, aber nicht mehr geben wird, weil zum Beispiel Paul, Gert und Fabjan nicht mehr am Leben sind.
Der Besucher lässt den Blick schweifen: auf Bücherregale (aha, auch Oswald Egger fehlt nicht) und auf eine von der Decke hängende Lampe, an der Hunderte von beschrifteten Zetteln befestigt sind. Ein Geburtstagsgeschenk für Fredy, von Kollegen und Künstlern gefertigt: jedes Zettelchen eine individuelle Hommage. Da möchte man verweilen, betrachtend und entziffernd, um die manuskripte-Familie so richtig kennenzulernen. Sie liebt offensichtlich auch den Schabernack, der von Poesie nicht allzu weit entfernt ist. Poesie aber muss sein, ihr gehört die manuskripte-Welt.
Bei meinem letzten Besuch im Büro traf ich Alfred Kolleritsch zum ersten Mal nicht an. Dafür unterhielt ich mich lange mit Andreas Unterweger, der seit einiger Zeit Mitherausgeber der Zeitschrift ist. Den kleinen Lavendelstrauss, den ich für Fredy mitgebracht hatte, stellten wir in eine Vase und auf den verwaisten Schreibtisch. Das Telefon klingelte wie immer, nur ging Andreas ran. Er weiss, was zu tun ist. Das weiss auch die Sekretärin Helga Höhn, die ihren eigenen Schreibtisch hat und diskret ihre Arbeit versieht. Und Julian Kolleritsch, zuständig für Layout und Satz.
Erstaunlich, dass der relativ kleine Raum so viele Menschen und Bücher fasst. Hier wirkt alles konzentriert, verdichtet, „verwesentlicht“. Und keine Frage, dass der Geist der Avantgarde, der die Zeitschrift von Anfang an prägte, noch immer spürbar ist: als Neugier, Suche, Experimentierfreude. Und Entdeckungslust.
Ein Blick auf die Cover genügt, um dies auch bildnerisch bestätigt zu bekommen.

Ich blätterte im neuesten Heft, als Max Droschl hereinkam. Natürlich unangemeldet, so ist das hier üblich, man ist ja „en famille“. Und schon waren wir mittendrin im Grazer Klatsch und Tratsch, aber auch mitten in der Literatur. Im Büro der manuskripte hat sie ihren Stammsitz, von hier strahlt sie weit aus.

(Aus: Graz. Mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern an besondere Orte der Stadt. Herausgegeben von Klaus Kastberger unter Mitarbeit von Elisabeth Loibner anlässlich des 15. Geburtstags des Grazer Literaturhauses. Graz: Edition Kleine Zeitung 2018)

Michael Buselmeier

Zum 40. Jahre Jubiläum der manuskripte aus dem WDR 1 Hörfunk:

Als im November 2000 die Grazer manuskripte 40 Jahre alt wurden und zugleich deren 150. Ausgabe erschien, stellte Alfred Kolleritsch, über all die Zeit der verantwortlichen Herausgeber und Redakteur, im Editorial die rhetorische Frage, ob die wenig geachteten Literaturzeitschriften nicht vielleicht doch, hochgemut gesprochen, etwas vom „Geist der Literatur“ und von der „Freiheit des Schreibens“ aufbewahrten. Sind sie nicht, meinte er, „Archive für die Zukunft?“

Vorausgegangen war die Nummer 149 mit einer umfangreichen Dokumentation, die deutlich machte, wie eng die manuskripte vor allem mit der avancierten österreichischen Poesie der Wiener und der Grazer Gruppe verknüpft sind und wie genau sie als eine Art deutschsprachige Literaturgeschichte der letzten 40 Jahre gelesen werden müssen.

Selbst das unvermeidliche Altern der Avantgarden hat zu keiner Qualitätseinbuße geführt. Denn immer wieder gelingt es Kolleritsch, obwohl er keine Honorare zahlt, blutjunge AutorInnen an abenteuerlich wechselnden Wohnsitzen aufzuspüren und deren Gedichte und Prosa mutwillig unter die Texte der längst Etablierten zu mischen.
Nach wie vor ist man dem poetischen, mehr auf Sprache und Rhythmus als auf eine spannende Handlung bezogenen Schreiben verpflichtet. So zählen die manuskripte auch in ihrem 41. Jahrgang zu den vier, fünf lebendigsten unserer Literaturblätter.